aus dem Brief eines Drittklässlers:

Eine Großmutter ist eine Dame, die keine eigenen Kinder hat. Sie mag die kleinen Jungen und Mädchen anderer Leute. Ein Großvater ist eine männliche Großmutter. Er geht mit den Jungen spazieren, und sie sprechen über das Fischen und solche Sachen.

Großmütter haben nichts zu tun, außer dazusein. Sie sind so alt, dass sie nicht mehr wild spielen oder rennen sollten. Es reicht aus, wenn sie uns zu dem Supermarkt fahren, wo das elektrische Schaukelpferd steht, und eine Menge Münzen parat haben. Oder wenn sie mit uns spazieren gehen, bleiben sie bei hübschen Dingen wie besonderen Blättern und Raupen stehen.

Niemals sagen sie: „Beeil dich.“

Normalerweise sind Großmütter dick, aber nicht zu dick, um deine Schuhe zuzubinden. Sie tragen Brillen und seltsame Unterwäsche. Sie können ihre Zähne wie ein Kaugummi herausnehmen.

Großmütter müssen nicht klug sein, sie müssen nur Fragen beantworten können wie: „Warum ist Gott nicht verheiratet?“ und „Wie kommt es, dass Hunde immer Katzen hinterher jagen?“

Großmütter sprechen nicht in Babysprache mit dir, wie Gäste es immer tun, weil es schwer zu verstehen ist. Wenn sie uns vorlesen, lassen sie keine Worte aus und haben auch nichts dagegen, wenn sie dieselbe Geschichte immer wieder lesen müssen.

Alle sollten versuchen, eine Großmutter zu haben, vor allem, wenn sie keinen Fernseher haben, denn sie sind die einzigen Erwachsenen, die Zeit haben,

Gestern gehört: Eine Frau schreibt Märchen um, damit Kinder in Zukunft nicht mehr geschockt sein müssen. „Kopf ab“ wird so zu „in den Vulkan gestürzt“. Denn dann „gibt es für die Kinder noch die Chance, dass der arme Mann überlebt“. Weil Tod ja schrecklich ist. Und Kinder Schreckliches nicht mitbekommen dürfen.

Großer Aufruhr um sie herum! Wer Märchen nicht aushalte, solle sie nicht lesen, so die eine Seite. Solche Geschichten hätten deutliche moralische Aussagen, die nicht verwischt werden dürften, so die andere. Außerdem spiegele die Märchensprache die Kultur eines jeden Landes wider, da könne man nicht einfach hineinpfuschen. „Wenn in China Köpfe rollen, dann können Sie daraus keine Vulkane machen!“ Basta!

Aber ich denke mir noch etwas anderes: Kinder sollten nicht mit Schrecklichem in Berührung kommen –  sie müssen es unbedingt. Denn wie sollten sie sich sonst im Umgang mit diesen Themen üben? In ganz kleinen Schritten können sie über die Literatur (und andere Wege) an so etwas wie „Tod“ herangeführt werden. Ich habe hier gerade so ein Buch, es heißt „Wo ist Mami„. Darin sucht das Affenbaby seine Mutter und der Schmetterling führt ihn immer wieder zu Tieren, die nun aber ganz und gar keine Affen sind. Woher soll so ein armer Schmetterling – dessen Kinder/Raupen ihm ja unähnlich sind – wissen, wie die Affenmama aussieht! Für ein Kind ist das doch erstmal schon ein wenig gruselig: Da sitzt man ganz alleine im Wald herum und die Mama ist weg! Aber gottseidank – nach 10 Seiten löst sich die Spannung. Der Schmetterling findet schließlich Affenmama UND -papa. Doppelt hält besser.

In meiner Vorstellung ist es doch genau das, was wir den Kindern auf ihrem Weg mitgeben können: Dass wir Menschen Schmerz/Wut/Trauer oder ähnliches empfinden und dann wieder fröhlich werden. Dass es schlimme Dinge im Leben gibt, aber auch schöne. Dass Menschen sterben müssen und dennoch Tag für Tag glücklich sein dürfen.

Natürlich will ich nicht sagen, dass man jedes Kind zu jeder Zeit an diese Dinge erinnern muss. Aber es gehört zum Erwachsenwerden, auch traurige Gefühle aushalten zu lernen. Und das doch am besten in kleinen Schritten, mit Unterstützung der Eltern. So erscheint es mir besser, als später mit 30 alleine.

Also: Lasst die Hexe im Ofen schmoren, esst Lebkuchen und keine Angst vor rollenden Köpfen!

Zu wenig Platz im Bücherregal, die Bretter doppelt belegt, Stapel neben dem Bett, aber „man schmeißt Bücher doch nicht weg“? Dann ist das hier die perfekte Gelegenheit:

Auf Tausch-Buecher.de kann jeder mit jedem Lesbares tauschen. Die Bücher müssen mit einem Punktesystem selbst bewertet werden und dann kann man mit diesem Punkten gleichwertiges tauschen. Kluge Idee. Ob es wirklich funktioniert? Lasst es uns ausprobieren!

Organisiert wird das ganze vom Verein „Für soziales Leben e.V.

Es gibt 2 Kategorien von Büchern:

Die „Erlesenen„, die wirklich gut sind.

Die „Zerlesenen„, die ziemlich schlecht sind.

Wer sich nun fragt, wo sich die mittelmäßigen Bücher, die mit 3 von 5 Punkten – diejenigen, die man mal mit Schnupfen zum Wohlfühlen lesen kann – finden lassen…tja, genau da liegt das Problem! Wie könnte diese Kategorie heißen?

Und welche Kategorien braucht die Buchfühlung noch?

 

Gestern kamen wir auf folgendes: Ich bin ein Pienzchen.

Wer mit mir Filme schaut, muss meistens mit folgendem rechnen: Entweder halte ich mir Augen oder Ohren oder wahlweise beides gleichzeitig zu. Dazu schreie ich bei plötzlichen Geräuschen laut auf (kommt im Kino sehr gut), zucke zusammen und fange meist irgendwann an zu heulen. Zugegebenermaßen, bei Disney Filmen geschieht das eher selten, aber sonst ertrage ich tatsächlich nicht viel. Weder zu viel Liebesschmerz, noch Streit/Gewalt/Trauer oder Horror. Ich hasse spritzendes Blut, plötzliche Bewegungen, langsames Pistole-an-die-Schläfe-Pressen oder wenn einer mal losgeht, um zu sehen, woher die komischen Geräusche kommen.

Ich gehe also selten ins Kino. Und lese vorher immer nach, worum es in einem Film geht. Manchmal sogar den Schluss. Hauptsache ich weiß, was auf mich zu kommt. Sollte ich dazu sagen, dass ich im Freundeskreis nicht die beliebteste Film-Begleitung bin?

Woran liegt das? Wenn ich zurück denke, dann war ich schon immer sehr empfindlich. Als bei „Independence Day“ ein Ufo plötzlich aufging, habe ich eine ganze Packung Salzstangen in die Luft geschmissen, mein Bein so angezogen, dass ich einen Krampf bekam und bin dann auf einem Bein durch die Salzstangen gehüpft. Das hat sich also höchstens noch verschärft. Aber der Grund wird mir erst so langsam klar. Das Lesen ist schuld.

Wer liest, muss sich dem Buch hingeben. Herz und Geist müssen der Geschichte verfallen, sonst bleibt das Buch außerhalb und kann den Leser nicht bewegen. Wir müssen so richtig mit dem kleinen Mädchen mitleiden, das sich im Wald verirrt hat. Sonst bleibt uns die Erzählung so fremd, dass sie langweilig wird. Sonst kann es meinetwegen dort auch verhungern, wir legen das Buch dennoch gelangweilt beiseite. Meiner Erfahrung nach passiert das dann, wenn Geschichten schlecht geschrieben sind. Wenn Wortwahl und Stil abstrakt bleiben oder sogar einfach nur verwirren. Wenn die Sprache es verhindert, tief genug in sie hinein zu tauchen. Schlechte Bücher bereiten schlechte Leseerlebnisse. Ein mieser Trip sozusagen.

Ein gute Geschichte allerdings verlangt geradezu danach, sie in sich hinein zu lassen. Dort, wo ich empfindlich bin, erlebe ich das Buch dann auch mit. Vielleicht fällt es dann deshalb schwer, Filme auf Abstand zu halten?

Mich können Bücher jedenfalls ganz genauso gruseln, wie Filme es tun. Sie zwingen mir nur keine Bilder ins Herz, die ich nicht mehr loswerde,

 

 

von Tommy Jaud 

FISCHER Scherz, 368 Seiten, November 2012, 16,99 Euro.

Simon ist pleite. Der griechische Anlagenberater hat sein Geld durchgebracht. Aber da das Finanzamt nicht wartet, muss er schnell wieder flüssig werden. Simon hat auch schon eine Menge Ideen, aber kaum noch Zeit. Um die letzten 7 Tage vor Zahlungstermin gut zu nutzen, schläft er nicht mehr. Und schmeißt sich Pillen ein. Das alles hilft nichts und weil er so abdreht, will nachher keiner mehr mit ihm befreundet sein. Aber Simon hat da schon einen Plan: Er sperrt seine Freunde einfach mitsamt einer Kuh und Bergen von CurryKing in einen Weinkeller. Um sie vor dem kommenden Weltuntergang zu schützen. Da müssen sie ihn doch wieder lieben…

Ein wunderbares Ende der Trilogie über Simon Peters. Um einiges verrückter als die Vorgänger „Vollidiot“ und „Millionär“, aber das macht die Geschichte gerade interessant. Jaud schafft es, ein völlig bescheuertes Verhalten in sich so logisch aufzubauen, dass nachher sogar Kidnapping und Diebstahl einleuchtend und richtig erscheinen. Da stört es wenig, dass manches überdreht und unrealistisch wirkt. Simon hatte halt immer schon einen guten Riecher für die falschen Entscheidungen!

von Marie Philips

C. Bertelsmann Verlag (1. September 2008), 320 Seiten.

Was passiert, wenn ein griechischer Gott in London unschuldige Frauen zu Bäumen verwandelt? Wenn sich der Olymp vor lauter Langeweile nur auf die Nerven geht und der alternde Zeus mehr oder weniger aus Versehen eine Putzfrau umbringt?

Dieses Buch beschreibt sehr humoristisch und in einer frischen und leichten Sprache, wie übel es Aphrodite und ihrer Familie ergangen ist. Sie sitzen 2010 zusammen in einem Haus fest und können sich doch gegenseitig nicht ausstehen. Die Idee, das Leben der in die Jahre gekommenen Götterfamilie darzustellen überzeugt vom ersten Moment an. Wer 200 Seiten leichte, aber keineswegs platte Unterhaltung sucht, wird sie hierbei finden. Diese Art von Geschichte macht wirklich Lust auf mehr.

Vor einigen Tagen erlebte ich folgende Begegnung: Eine Dame älteren Semesters kaufte für ihre Enkelin ein Buch – Die Tribute von Panem. Nun kann man über den Inhalt, die Sprache, den Sinn und Zweck dieser Geschichte geteilter Meinung sein, das ist mir bewusst. Sie aber äußerte – für mich völlig verblüffend – solch einen „Kitsch“ wolle sie eigentlich gar nicht kaufen. Das dürfe man doch nicht unterstützen. Kinder bräuchten schon eine gewisse Lese-Erziehung.

Meinen Einwand, Kitsch sei dieses Buch nun beim besten Willen nicht zu nennen, wischte sie beiseite.

Daraufhin fragte ich sie, was sie denn selbst als Kind gelesen habe. Und nun kommts: Trotzkopf! Wenn ich etwas als Kitsch bezeichnet hätte, dann das.

Daraus ergeben sich für mich nun zwei Gedanken: Zum einen die Frage, was Kitsch eigentlich ist? Ich verbinde damit Falschgoldengel und im Dunkeln leuchtende Marienfiguren. Oder Porzellanpuppensammlungen auf Spitzendeckchen in der Sofaecke. Alles nicht unbedingt schlimm, nicht unbedingt hässlich, aber irgendwie…kitschig eben.

Duden.de sagt dazu:

Kitsch ist ein aus einem bestimmten Kunstverständnis heraus als geschmacklos empfundenes Produkt der darstellenden Kunst/Literatur/Musik.

Aha! Also ist Kitsch wohl für jede Generation etwas anderes. Was war wohl zur Zeit des Trotzköpfchens kitschig? Interessante Frage.

Zweitens möchte ich doch die Freiheit des Lesegenusses vehement verteidigen! Brauchen Kinder denn wirklich Leseerziehung? Kann man ihnen denn überhaupt beibringen, was gute und was schlechte Literatur ist? Auch wenn sicherlich das ein oder andere Buch nicht für jedes Alter geeignet ist, so kann doch schlussendlich nur der Lesende selbst entscheiden, ob ihm etwas ge- oder missfällt, oder? Ich jedenfalls hätte mir mein „Black Beauty“ Pferdebuch nicht nehmen lassen. Und habe trotzdem auch „Sopies Welt“ gelesen (auch wenn es mir wirklich nicht gefallen hat). Man hat mir Wittgenstein gegeben (mit dem Kommentar, das sei wohl kein Buch für Kinder). Also habe ich ihn aus Trotz gelesen – und natürlich kein Wort verstanden. Ich habe bei Vom Winde verweht jedes mal geweint. Und dennoch wüsste ich heute klar zu benennen, welches Werk das qualitativ hochwertigere ist. (Auch wenn „Vom Winde verweht“ wirklich nicht so schlimm ist wie sein Ruf!)

Was lerne ich nun daraus?

Lest Trotzköpfchen, verliebt euch in Rhett Butler und lasst den Kindern ihre Lesevernunft. Das literarische Herz sucht sich schon seinen Weg.