Wächter der Nacht

Wächter der Nacht – Sergej Lukianenko

Wächter der Nacht

Meine Freunde lesen gerne Fachbücher. Und dann sprechen sie darüber. Da wird diskutiert, debattiert, dialogisiert – und ich kann nicht mitreden. Denn das, was ich lese, ist von anderer Natur. Ich lese nicht gerne philosophische Werke, ich „philosophiere“ lieber selbst. Über das, was die Belletristik so hergibt. Und heute mal über das Gute und das Böse.

„Die Wächter der Nacht“ ist der erste Band einer russischen Trilogie, die in Deutschland in Buchform eher unbekannt ist. Bekannter sind dagegen die gleichnamigen Verfilmungen, die wohl zu den erfolgreichsten russischen Kinowerken gehören. Der Inhalt des Buches ist schnell umrissen:

Nachdem sich die Mächte des Lichtes und der Dunkelheit über Jahrhunderte hinweg bekriegten, ohne dass eine der Seiten je die Oberhand gewinnen konnte, gibt es nun endlich Frieden. Einen bröckeligen Frieden zwar, aber immerhin. Und die Bedingungen sind im sogenannten „großen Vertrag“ festgehalten: Tagsüber wachen die „Mächte des Dunkeln“ über die Machenschaften der „Lichten“, während es nachts genau andersherum ist. So kann das Gleichgewicht gewahrt werden. Und beide Seiten können diese Pattsituation gut gebrauchen, denn es bedarf schon genug Anstrengung, unerkannt unter den Menschen zu leben. Wer ein Wächter ist – ob hell oder dunkel – ist nämlich ein „Anderer“. Ein magisch begabter Mensch, der seine Umwelt nach Gutdünken zu beeinflussen weiß. Z.B. die Werwölfe, indem sie ihre Opfer verführen und willenlos machen. Oder die Zauberer, die durch Zaubersprüche Flüche aufheben können…

Klingt das nach altem Hut? Erstmal ja! Aber der Gag an der Geschichte folgt nun: Auch wenn es das Licht und das Dunkel gibt, so stellen diese beiden Kräfte doch nicht „Gut“ und „Böse“ dar. Denn beide Seiten können nur auf Kosten der Menschen existieren. Dunkle Vampire leben vom menschlichen Blut, während lichte Magier die Freude der Menschen trinken. Macht es nicht besser. Für die Opfer ist beides unangenehm.

Magie bedeutet also: Die Welt untertan machen. Ob zum Zweck der Heilung, oder aus Eigennutz. Die Wächter zwingen den Menschen ihren Willen auf. Beispielsweise handelt es sich bei den großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts um Versuche der Lichten, durch politische Idealzustände die Geschichte der Welt endgültig „zum Licht zu bewegen“. Dass der Kommunismus dieses Ziel nicht unbedingt erreichen konnte, wissen wir. Typischer Fall von „das Gegenteil von gut ist gut gemeint“.

Auch das keine Neuerung in der Literatur! Neu ist allerdings folgende Frage: Was ist eigentlich das Böse, wenn der kleine dunkle Vampir von nebenan lediglich für den Eigenbedarf ein paar Menschlein anzapft und die Gut-Meinenden Wächter des Lichts Millionen von Menschen umbringen? Warum gehen wir eigentlich automatisch davon aus, dass das Dunkle das Böse sein muss und sich das Böse durch Egoismus auszeichnet? Wäre mir letztlich in der Mitte der Nacht nicht eine Begegnung mit einem „Dunklen“ lieber, bevor ich vielleicht den hellen höheren Zielen zum Opfer falle?

Nicht das beste Buch meines Lebens, aber zumindest diesen ersten Band der Trilogie kann man durchlesen und durchdenken. Band Zwei und Drei („Die Wächter des Tages“ und „die Wächter des Zwielichts“) müssen dann nicht aber nicht mehr sein.

Was denkst du?